Warum IT Weiterbildung nicht funktioniert.
Was hat IT Weiterbildung mit dem Rauchen zu tun? Der Arzt empfiehlt mir mit dem Rauchen aufzuhören. Ich merke selbst, dass ich oft erkältet bin oder auch oft husten muss. „Aber wie“, frage ich den Arzt. Der Arzt empfiehlt mir einen Workshop: „Der hilft garantiert“.
Ich melde mich zum Workshop an und tatsächlich, nach dem ersten Tag rauche ich meine letzte Zigarette. Ich bin hoch motiviert nach dem Workshop, voll Informationen. Aber schon die erste Party am Wochenende danach, lässt mich rückfällig werden. Na gut, denke ich, vielleicht später einmal.
Was genau funktioniert an diesem Ansatz nicht:
- Es reicht nicht aus, dass ich von außen (extrinsisch) motiviert werde etwas zu tun.
- Ein Workshop ist nicht nachhaltig, er kann höchstens Impulse geben.
- Am Ende ist das aufhören eine Verhaltensänderung, diese werde ich aber nachhaltig nur durchhalten, wenn ich „von innen“ – also intrinsisch motiviert bin.
Eine intrinsische Motivation könnte z. B. sein, dass ich eine Frau kennen lerne, die Nichtraucherin ist.
Was hat das ganze mit IT Weiterbildung zu tun?
Typische Weiterbildungsthemen in der IT Weiterbildung sind:
- Verbesserung der Kundenkommunikation.
- Kennenlernen von neuen Techniken, Programmiersprachen.
- Kennenlernen von Programmierparadigmen wie Pair, TDD oder anderen Techniken des „extreme programming“.
Reicht es aus hier einen Workshop zu besuchen? Nein! Denn genau wie beim obigen Beispiel braucht es hier eine Verhaltensänderung. Die IT Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter benötigen nicht nur das Wissen wie genau neuen Technologien und Paradigmen einzusetzen sind, sie brauchen nicht nur die Übungen in Workshops etc. Sie brauchen eine Änderung ihres Verhaltens um im tagtäglichen Umgang dieses neue Wissen auch umzusetzen. Das neue Verhalten muss sich verfestigen. Das geht nur langfristig und dazu muss man etwas machen, was wir in der Schule schon gehasst haben. Wir müssen üben.
Für üben wird man nicht bezahlt
„Softwaresysteme gehören mit Sicherheit zu den komplexesten Konstruktionen, die Menschen erdacht und erbaut haben“. (1) Aber sowohl IT-Manager als auch IT-Kunden behandeln ihre Software, als wäre es ein Haus, was gebaut und eingerichtet wird. Wer einmal ein Haus verkabelt hat, wird mit dem zweiten und dritten keine Schwierigkeiten haben. Leider bewegen wir uns im Bereich der Software-Entwicklung im komplexen Raum. Das kann man sich wie beim Fußball vorstellen. Warum schießt ein Torjäger nicht jedes Spiel seine 2-3 Tore. Er kann es doch. Er übt auch täglich! Er tut es nicht, weil eine geübte Situation nie genau so im Spiel vorkommt. Sie kommt sinngemäß vor, aber es muss ständig adaptiert werden. Heute ist der Torwart stark auf der Linie, morgen stark im rauslaufen. Deshalb ist Software nicht mit einem Hausbau zu vergleichen, sondern eher mit einem Fußballspiel. Und was macht der Fußballer 80% seiner Tätigkeit? Genau – er trainiert und wird sogar dafür bezahlt – und nicht schlecht.
Wollen wir exzellente (2) Entwicklerinnen und Entwickler dann müssen wir als IT Firma die Möglichkeit zu geben zu üben und zwar in der Arbeitszeit. (Der Unterschied zwischen Profi und Amateur).
Tradierte Formate wirken nicht mehr
Bisher handelt es sich bei der Weiterbildung eher um punktuelle Aktivitäten wie ein Vortrag, ein Workshop, ein Seminar. Wir gehen bisher davon aus, dass Mitarbeitende zur Weiterbildung „geschickt“ werden und sich selbst zur Weiterbildung anmelden. Diese Weg wird zukünftig nicht mehr funktionieren. Nicht die Mitarbeitenden müssen zur Weiterbildung gehen (in das Seminar, zu dem Vortrag), sondern die Weiterbildung muss zu den Mitarbeitenden kommen, in den betrieblichen Alltag. Dieser „neue Typ von Weiterbildung lässt sich nur realisieren, wenn die Individuen zu eigenständiger Planung und Organisation ihrer Weiterbildung bereit und fähig sind“. (3)
Deshalb brauchen wir andere Formate wie „Shadowing„, Coaching on the Job, Teamentwicklung am Arbeitsplatz. All das sind nachhaltige Konzepte, die dahin zielen gelerntes nicht nur intellektuell zu verarbeiten sondern auch direkt anzuwenden. Workshops wenden die Inhalte oft nur abstrakt an. Wir stellen uns vor wir hätten „diesen Kollegen“ und „diesen Konflikt“, den wir exemplarisch mit einer bestimmten Methode verarbeiten. Tatsächlich ist die konkrete Situation vor Ort jedoch meist vielschichtiger.
Statt Seminare, Vorträge, Workshops brauchen wir (oder zumindest in Ergänzung):
- nicht-formalisierter Lernkontexte,
- die Verknüpfung von Arbeit und Lernen,
- die Selbststeuerung von Lernprozessen,
- bzw. spezifische Lernprozesse von Gruppen und Organisationen. (3)
Packen wir es an.
(1) Carola Lilienthal: Langlebige Software-Architekturen.
(2) Exzellenz bedeutet für mich nicht ein Absolutum, wie die Schulnote 1. Exzellent ist für mich jemand, der sein volles Potenzial ausschöpft.
(3) Christiane Schiersmann/Heide Remmele: Neue Lernarrangements in Betrieben https://www.econstor.eu/bitstream/10419/105470/1/807100714.pdf